NPS (Neue Psychotrope Substanzen) - was ist das?

Legal Highs, Kräutermischungen, Badesalze und andere Namen tauchen in der Öffentlichkeit auf, häufig in Verbindung mit Intoxikationserlebnissen von meist jugendlichen Konsumenten. Um was handelt es sich bei diesen neuen psychoaktiven Substanzen, welche Wirkungen und Gefahren entwickeln sie, wer bezieht sie woher, und wie ist ihr rechtlicher Status zu bewerten?

Begrifflichkeiten

Mit Legal Highs wurden und werden synthetische und auch natürliche Substanzen benannt, die noch nicht unter eine staatliche Regulierung fallen (in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz). Wobei dieser Name insoweit irrtümlich ist, als dass viele dieser mit diesem Begriff umschriebenen Substanzen bereits verboten wurden (z.B. „Spice“, „Mephedron“), andere weiterhin nicht diesem Gesetz unterliegen.

Unter dem Begriff Research Chemicals werden chemische Reinsubstanzen benannt, die als Drogen benutzt werden können.

Seit einiger Zeit hat sich der Begriff NPS für „Neue Psychoaktive Substanzen“ durchgesetzt. Dieser Begriff umfasst alle Substanzen, die als Drogen eingenommen werden können, die nicht von der „Conventions of Narcotics“ von 1961 und der „Conventions an Psychotropik Substances“ von 1971 umfasst wurden. Viele dieser Substanzen sind seit den 1960er Jahren bekannt (siehe: Shulgin, Alexander: PIHKAL). Neu ist, dass sie jetzt wieder verfügbar sind.

Die Substanzen und ihre Wirkungen

Grob lassen sich zwei Substanzgruppen unterscheiden:

1. Synthetische Cannabinoide

Die Herstellung dieser synthetischen Substanzen erfolgte in nordamerikanischen Universitäten zur wissenschaftlichen Forschung. Diese Substanzen haben vergleichbare Rauscheffekte wie natürliche Cannabinoide. Sie heben die Stimmung an, sind entspannend, verändern die Wahrnehmung.

Im Gegensatz zu Cannabis besitzen sie eine erhöhte Rezeptoraffinität (der Fähigkeit an bestimmten Regionen im Gehirn anzubinden). So werden die Rauschwirkung, aber auch die Nebenwirkungen wesentlich verstärkt. Beispielsweise kann es dabei zu Herzrasen, erhöhtem Blutdruck, Unruhe, Erbrechen, Verwirrtheit, Halluzinationen oder Krampfanfällen kommen - unerwünschten Nebenfolgen also. Auch voll ausgeprägte Psychosen sind beobachtet worden.

Panikattacken und Zustände von Bewusstlosigkeit sind ebenfalls häufiger beobachtet worden, mit der Notwendigkeit notfallmedizinischer Versorgung. Die Nachwirkungen des Rauschzustandes können einige Tage anhalten (Kopfschmerzen, körperliche Erschöpfung, Gedächtnislücken usw.).

Im reinen Zustand liegen diese synthetischen Cannabinoide als Feststoffe oder Öle vor, verkauft werden sie als Rauchmischungen in Päckchen und enthalten typischerweise 3 g getrocknetes pflanzliches Material, dem ein oder mehrere dieser synthetischen Cannabinoide zugesetzt worden sind. Vermutlich werden diese Kräutermischungen mit einer Lösung besprüht. Synthetische Cannabinoide werden in der Regel wie Cannabis geraucht.

2. Substanzen mit amphetaminähnlicher („Aufputschmittel“), aber auch halluzinogener Wirkung (Rausch mit Veränderung der Wahrnehmung)

Hier handelt es sich vor allem um zwei Substanzgruppen, ganz vorrangig die Phenethylamine und in geringerem Maße die Tryptamine. Diese kommen als Alkaloide in Pflanzen vor, können aber mit vielen Molekularabwandlungen auch synthetisch hergestellt werden.

Sie besitzen die Fähigkeit, über körpereigene Botenstoffe (Dopamin, Serotonin u.a.) in jeweils abgewandelter Art auf den menschlichen Körper einzuwirken:

  • mal stark aufputschend wie Amphetamin,
  • mal mehr entaktogen (erhöht die Bereitschaft, Kontakte aufzunehmen) wie MDMA (Ecstasy),
  • in anderen Verbindungen auch mit mehr oder weniger stark halluzinogener Wirkung (wie Mescalin).

Die Nebenwirkungen sind in Abhängigkeit von der Hauptwirkung häufig Herzrasen, Blutdruckerhöhung, Schwitzen und Anstieg der Körpertemperatur. Auf der psychischen Ebene sind Gedächtnisstörungen, Angst und Impulsivität zu beobachten. Depressionen und Psychosen sind nicht selten. Insbesondere den amphetaminähnlichen Substanzen wird eine hohe Abhängigkeitsgefahr zugeschrieben. Diese Substanzen werden meist nasal (über die Nasenschleimhaut) eingenommen, zum Teil auch oral (geschluckt). Zu beobachten bzw. von Konsumenten benannt ist auch der inhalative (über die Lunge) Konsum mit starker Rauschwirkung und ebenfalls starken schädlichen Folgewirkungen.

Einige dieser Substanzen sollen hier kurz benannt werden (nähere und weitergehende Informationen unter www.mindzone.info/drogen/nps und auch in einer Broschüre der DHS: www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/Broschueren/Basisinfo_SynthetischeDrogen.pdf)

Mephedron (Cathinonderivat)

Häufig im Internet als „Badesalz“ angeboten (Achtung: Badesalz ist ein Sammelbegriff für sehr unterschiedliche Substanzen).

Neben den oben beschriebenen typischen Wirkungen von amphetaminähnlichen Stoffen wird Mephedron ein hohes psychisches Abhängigkeitspotenzial nachgesagt.

Es unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz seit 2010, ist also seitdem verboten.

Methylon (Cathinonderivat)

Diese Substanz scheint ähnliche Wirkungen wie MDMA (z.B. Ecstasy) zu haben, auch was die Gefährlichkeit für die inneren Organe anbelangt.

Diese Substanz unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz seit 2012.

MDPV(Methylendioxyprovaleron)

Eine körnerartige, pulverige Substanz, die in letzter Zeit verstärkt auf dem Markt zu finden ist.

Sie entfaltet eine starke amphetaminartige Wirkung. In hohen Dosen sind Panikattacken und Wahnvorstellungen nicht selten. Es besteht eine hohe Gefahr von psychischer Abhängigkeit.

Seit 2012 unterliegt MDPV dem Betäubungsmittelgesetz.

2C-B / 2C-I

Halluzinogene Derivate wie die 2C-B und 2C-I wirken ähnlich wie Meskalin (in pulveriger Form und auch als Tablette erhältlich zur oralen, aber auch nasalen Einnahme).

Neben Stimmungsanhebung tritt dosisabhängig eine Veränderung der Empfänglichkeit von Reizwahrnehmungen ein. In höheren Dosen, aber auch abhängig von Person und Umwelt können Halluzinationen (bis hin zu „Horrortrips“) auftreten. Psychische Folgeschäden wie Psychosen, Angststörungen und Depression können nicht ausgeschlossen werden.

2C-B und 2C-I sind durch das Betäubungsmittelgesetz verboten.

Wer nimmt diese Drogen und warum?

Es gibt nur wenige Untersuchungen zu diesem Thema, die Datenlage ist deswegen durchweg unsicher. Eine Onlinebefragung aus dem Jahr 2011 zu synthetischen Drogen des Center for Drug Research der Universität Frankfurt/Main von Dr. Bernd Werse ist eine der wenigen Untersuchungen zu diesem Thema. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass synthetische Cannabinoide die einzigen neuen synthetischen Drogen sind, welche in einem nennenswerten Ausmaß konsumiert werden. Synthetische Amphetamine und Halluzinogene sind in ihrer Ausbreitung unbedeutend. Insbesondere bei Konsumenten von synthetischen Cannabinoiden war die fehlende oder erschwerte Nachweisbarkeit ein Konsummotiv. Überwiegend um Sanktionen durch Polizei und Verkehrsbehörden aus dem Weg zu gehen konsumieren diese Personen dann statt Cannabis diese in der Regel wesentlich gefährlicheren Substanzen.

Die chemischen Reinsubstanzen (mit amphetaminähnlicher, MDMA-ähnlicher oder halluzinogener Wirkung) wurden nach den Ergebnissen dieser Studie vor allem von erfahrenen, experimentierfreudigen Konsumenten bezogen und eingenommen. Die Studie ergab auch, dass 89 % der Konsumenten Männer sind, im Durchschnittsalter von 24,2 Jahren. Erstaunlich auch, dass die südlichen Bundesländer deutlich überrepräsentiert waren. Ebenfalls deutlich überrepräsentiert waren Personen mit überdurchschnittlicher Schulbildung.

Über Konsummotive wurden die Konsumenten auch befragt, hier überwiegen Rausch, Neugierde und Entspannung, gepaart mit legaler Erhältlichkeit (und/oder fehlender Nachweisbarkeit).

Rechtlicher Status

Die rechtliche Situation ist unübersichtlich. Wie oben bereits beschrieben, unterliegen einige dieser Substanzen seit mehr oder weniger kurzer Zeit dem Betäubungsmittelgesetz. Sobald ein Wirkstoff verboten ist, erscheint eine neue Substanz auf dem Markt, die diesem Verbot (noch) nicht unterliegt. Die Drogengesetzgebung hinkt also permanent hinterher. Die Wirkstoffe bzw. Substanzen, die nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt sind, sind in Deutschland nicht illegal. Der Versuch, den Handel und auch den Konsum dieser Substanzen mithilfe des Arzneimittelgesetzes zu unterbinden, kann seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 10. Juli 2014 als gescheitert betrachtet werden. Die Richter erkannten, dass Kräutermischungen, die als Cannabisersatz konsumiert werden, keine Arzneimittel sind. Die Bundesregierung sieht aber weiteren Klärungsbedarf, da der Europäische Gerichtshof nur die Kräutermischungen, nicht aber andere psychoaktive Substanzen rechtlich behandelt hat.

Für den Bezieher dieser Drogen gibt es auch keine Gewissheit, dass die bestellte Ware tatsächlich nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt ist.

Verbreitung, Bezug, Handel, Markt

Ein Merkmal dieses Phänomens der „Neuen Psychoaktiven Substanzen“ ist der Bezug über das Internet, sowohl die Verfügbarkeit von Informationen über Substanzen in Foren, Blogs etc., als auch der Verkauf über Online-Shops. Die Shops selbst werden wiederum in den sozialen Medien bewertet.

2013 zählte die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht 693 Internet-Shops mit dieser „Angebotspalette“.

So kann auch nicht überraschen, dass die meisten Bezieher diese Drogen über Online-Shops erwerben.

Fazit

Eine eindeutige Bewertung dieses Phänomens fällt aufgrund der gering ausgeprägten Datenlage schwer. Handelt es sich um ein neues Phänomen? Oder um eine der „üblichen“ Skandalisierungen, die eine Mediengesellschaft produziert?

Neu ist der Vertriebs- und Bezugsweg. Konsumenten oder Personen, die dies werden wollen, „bestellen“ ihre gewünschte(n) Droge(n) im Internet. Bezahlt wird per Nachnahme oder (Einmal)-Kreditkarte. Geliefert wird an Verwandte, Paketstationen oder auch einfach zur Hausadresse („Die Substanz ist legal, warum dann nicht?“). Es finden sich genügend Wege des Info-Austausches in Foren, so dass auch unerfahrenere Konsumenten an „Experten“-Wissen partizipieren können.

Wenn Substanzen dann verboten werden, weicht der „Markt“ - und um das handelt es sich ja - auf ähnliche, aber leider häufig gefährlichere Substanzen aus. Dies hat die neuseeländische Regierung animiert, hier andere Wege zu gehen, und statt Verbot ein Gesetz zur Regulierung des Verkaufs erlassen (Psychoactive Substance Act von 2013). Autoritärere Staaten werden eher das Internet kontrollieren wollen, und damit den Verboten von Substanzen auch noch die Abschaffung grundlegender Freiheitsrechte folgen lassen.

Es bieten sich andere Wege an: Wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil von Konsumenten auf vorrangig synthetische Cannabinoide ausweicht, weil sie – nicht ganz zu Unrecht, was die stärkere Fokussierung von Polizei und Fahrerlaubnisbehörden auf Cannabisdelikte anbelangt - Sanktionen befürchten, dann wäre eine regulierte Abgabe von Cannabis eine nachdenkenswerte Alternative, die Gefährdungen durch synthetische Cannabinoide reduziert. Ob in weiteren Schritten das Beispiel von Neuseeland nachvollzogen werden sollte, ist möglicherweise auch abhängig von notwendigen weiteren Untersuchungen über diese Substanzen und über die Entwicklungen in Neuseeland.

Vielleicht ist das Eingeständnis notwendig, dass eine nicht-autoritäre Gesellschaft mit Risiken, wie der Existenz von Drogen, leben muss. Um diese Risiken „beherrschbar“ zu machen, sollte das Erlernen von Risikomündigkeit die bisherige Praxis des Verbietens ablösen. Risikomündigkeit setzt Wissen und Kompetenz voraus, um selbstverantwortlich handeln zu können.

ausgearbeitet von Andreas Sommerburg, Jugend- und Drogenberatung Wolfsburg